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Gebet

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Albrecht Dürer (1471-1528): Die betenden Hände


Martin Luther, oder: Des Christen Handwerk

Wie ein Schuster einen Schuh macht und ein Schneider einen Rock, also soll ein Christ beten. Eines Christen Handwerk ist beten.

Wenn ich fühle, dass ich durch fremde Geschäfte oder Gedanken kalt und ohne Lust zu beten geworden bin, wie denn das Fleisch und der Teufel stets das Gebet abwehren und hindern, nehme ich mein Psälterlein, laufe in die Kammer oder, wenn´s die Zeit ist, in die Kirche zu den Leuten und fange an, die zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis und, je nachdem wie ich Zeit habe, etliche Sprüche Christi, des Paulus oder der Psalmen mündlich für mich selbst zu sprechen, ganz wie die Kinder tun. Darum ist´s gut, daß man das Gebet morgens früh das erste und abends das letzte Werk sein lasse. Und man hüte sich mit Fleiss vor diesen falschen, betrügerischen Gedanken, die sagen: Warte ein wenig, in einer Stunde will ich beten; ich muß dies oder jenes zuvor erledigen. Denn mit solchen Gedanken kommt man vom Gebet in die Geschäfte, die einen dann halten und umfangen. Wohl können etliche Werke vorkommen, die ebenso gut oder besser als das Gebet sind, besonders wenn sie die Not erfordert. Wer treu arbeitet, der betet zwiefach. Das muß aus diesem Grunde gesagt sein, daß ein gläubiger Mensch in seiner Arbeit Gott fürchtet und ehrt und an sein Gebot denkt, damit er niemandem Unrecht tun noch ihn bestehlen oder übervorteilen oder ihm etwas veruntreuen möge. Solch Glaube macht ohne Zweifel aus seinem Werk ein Gebet und ein Lobopfer dazu.

Ich habe heute viel zu tun, darum muss ich heute viel beten.

Kurz soll man beten, aber oft und stark.


Eine chassidische Geschichte

Eines Abends spät merkte ein armer Bauer auf dem Heimweg vom Markt, dass er sein Gebetbuch nicht bei sich hatte. Da ging mitten im Wald ein Rad seines Karrens entzwei, und es betrübte ihn, dass dieser Tag vergehen sollte, ohne dass er seine Gebete verrichtet hatte. 
Also betete er: "Ich habe etwas sehr Dummes getan, Herr. Ich bin heute früh ohne mein Gebetbuch von zu Hause fortgegangen, und mein Gedächtnis ist so schlecht, daß ich kein einziges Gebet auswendig sprechen kann. Deshalb werde ich dies tun: Ich werde fünfmal langsam das ganze Abc aufsagen, und du, der du alle Gebete kennst, kannst die Buchstaben zusammensetzen und daraus die Gebete machen, an die ich mich nicht erinnern kann."
Und der Herr sagte zu seinen Engeln: "Von allen Gebeten, die ich heute gehört habe, ist dieses ohne Zweifel das beste, weil es aus einem einfachen und ehrlichen Herzen kam."
Anthony de Mello


Der lächelnde Papst, Johannes Paul I.

Albino Luciani, zu den Katecheten über das Beten mit Kindern:
"Beten bedeutet mit dem Herrn sprechen, nicht nur über den Himmel oder über die Seele, sondern mit Jesus über alles plaudern, wie man es mit einem Freund tut. Man kann mit ihm reden über den Vater oder über die Mutter, von der Arbeit oder vom Spiel. Er ist uns nicht fern, sondern ganz nahe. Er hört uns zu und ist sehr froh, wenn wir mit ihm sprechen. Man betet nicht nur in der Kirche, sondern überall und immer, auf der Strasse, in der Schule, zu Hause, beim Spiel. Wir können uns einen Augenblick konzentrieren, um Jesus zu grüßen, ihm zu danken oder ihn um Verzeihung zu bitten, ohne daß es irgend jemand merkt."

"Wir müssen beten. Wenn das Volk sieht, dass der Priester betet und mit Gott vereint ist, dann ist er ein Zeuge, der viele andere anzieht."

Luciani hielt in seinen Audienzen die Menschen an, das Gebet zu sprechen, das er selber zu beten gewohnt war:
"Herr, nimm mich, wie ich bin, mit meinen Grenzen, meinem Versagen und meinen Sünden, und lass mich so werden, wie du mich haben willst."

Am Mittwoch, den 27. September 1978 fand die letzte Generalaudienz statt. Was Luciani an diesem Tag sagte, kann man als seinen letzten Willen, sein Testament betrachten. Es war ein Hymnus auf die Liebe, gekleidet in die Auslegung eines Gebets: "Mein Gott, ich liebe dich mit ganzem Herzen, du unendliches Gut, und aus Liebe zu dir liebe ich meinen Nächsten wie mich selbst. Ich vergebe, wenn ich beleidigt worden bin. Herr, mach, daß ich dich immer mehr liebe."
Daraufhin erklärte er unter anderem: "Gott hat ein grosses Verlangen in uns hineingelegt, Fortschritte zu machen, voranzugehen... Ich habe vorhin gesagt, dass die Liebe zu Gott wie eine Reise ist: Man muss immer Fortschritte machen, immer vorangehen. Herr, lass mich dich immer mehr lieben, lass mich nie aufhören, dich zu lieben..."

Johannes Paul I., Das Leben des lächelnden Papstes. Erzählt von einer Karmelitin. Verlag Neue Stadt, München, 1990.


Man merkt es ...

Ein Konzertpianist sagte: "Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich es. Wenn ich zwei Tage nicht übe, merken es meine Freunde. Wenn ich drei Tage nicht übe, merkt es das Publikum."
Mir geht es ähnlich beim Beten: Wenn ich einen Tag nicht bete, merkt es Gott. Wenn ich zwei Tage nicht bete, spüre ich es selber. Wenn ich drei Tage nicht bete, spürt es meine Umgebung.
Otto Dibelius (1880-1967), Bischof von Berlin-Brandenburg


last update: 31.03.2015